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Aminet 13 - August 1996.iso
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p.ErnstNolte
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p.ErnstNolte
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1996-06-17
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7KB
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127 lines
#Titel Politik / Ändert die Zukunft Deutschlands...
#Logo gadget25:Pinsel/AG.Politik
#Font topaz 8
#C10
#Y+50
der folgende artikel erschien in der 6. ausgabe unseres
jugendmagazins spunk. weitergehende verbreitung/verwendung
nur mit einverständnis der autorin, ute meyer.
ciao,
- holgi -
#Seitenende
#C31
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#Font Losse 16
Ändert die Zukunft
Deutschlands Vergangenheit?
#Font topaz 8
// Über den Geschichtsrevisionismus des Historikers Ernst Nolte
----------------------------------------------------------------------------
#C10
von Ute Meyer
#C21
Ernst Nolte gehört zu den bekanntesten Geschichtsrevisionisten in
Deutschland. Der Historiker und Politwissenschaftler hat zahlreiche
Schriften zum Thema Faschismus herausgebracht. Er war ab 1965 Professor in
Marburg und ist seit 1973 an der Freien Universität Berlin, wo er nach wie
vor Vorlesungen hält.
Im sogenannten Historikerstreit von 1986/87 war Nolte einer der
Protagonisten. In diesem Streit brachte der Sozialphilosoph Jürgen Habermas
eine Polemik heraus, die sich gegen revisionistische Geschichtsschreibung
richtete, wie sie Nolte in seinem FAZ-Artikel "Vergangenheit, die nicht
vergehen will" betreibt. Dort stellt Nolte zunächst das politische Panorama
dar, vor dem sich seiner Meinung nach die historische Diskussion der 80er
Jahre abspielte. Tabuisiert werde die Frage nach den "Interessen der [Nazi-]
Verfolgten und ihrer Nachfahren an einem permanenten Status des
Herausgehoben- und Privilegiertseins."
Voreilige Politikeräußerungen würden zu einem neuen Antisemitismus
aufgebauscht, aber aus Claude Lanzmanns "Shoah"- Film könne man lernen, daß
"auch die SS-Mannschaft der Todeslager auf ihre Art Opfer sein mochten und
daß es andererseits unter den polnischen Opfern des Nationalsozialismus
virulenten Antisemitismus gab." Es waren eben alle ein bißchen Opfer und ein
bißchen Täter.
Die zentrale These des Aufsatzes, an der sich auch der Streit entzündete,
ist Noltes Behauptung, Auschwitz sei eine überzogene Angstreaktion auf
sowjetische Verbrechen gewesen. "Vollbrachten die Nationalsozialisten,
vollbrachte Hitler eine ,asiatische' Tat vielleicht nur deshalb, weil sie
sich und ihresgleichen als potentielle oder wirkliche Opfer einer
asiatischen Tat betrachteten? War nicht der ,Archipel Gulag' ursprünglicher
als Auschwitz? War nicht der ,Klassenmord' der Bolschewiki das logische und
faktische Prius des ,Rassenmords' der Nationalsozialisten?"
Die These, daß Faschismus in erster Linie Antimarxismus sei, hatte Nolte
schon in seinem 1963 erschienenen Buch "Der Faschismus in seiner Epoche"
dargelegt. Neu ist die Einführung einer historisch-genetischen Dimension der
Totalitarismustheorie, die er in seinem Buch "Der europäische Bürgerkrieg"
von 1987 ausführlich darlegt, und die Identifikation mit den
antikommunistischen Motiven der Nazis. Nolte geht davon aus, dieser
Antikommunismus habe schließlich nur das artikuliert, "was zahlreiche
deutsche und nichtdeutsche Zeitgenossen empfanden und daß alle diese
Empfindungen und Befürchtungen nicht nur verstehbar, sondern auch
großenteils verständlich und bis zu einem bestimmten Punkte sogar
gerechtfertigt waren."
Nolte versucht durch seine Thesen, teilweise die NS-Politik zu
rechtfertigen: Die Frage, welchen Charakter der deutsche Angriff auf die
Sowjetunion hatte, ist ein zentrales Thema für Nolte. Nolte argumentiert
nicht so platt wie einige andere Vertreter der rechtsradikalen Gesinnung. Er
konstatiert, "es sei unwahrscheinlich, daß auf deutscher Seite das Empfinden
einer unmittelbaren Bedrohung vorhanden war". Trotzdem sei das ,Unternehnen
Barbarossa' möglicherweise ein "objektiv begründeter und unvermeidbarer
Entscheidungskampf" gewesen. Der Befehl zur Erschießung sowjetischer
Politkommissare, soweit er "im Rahmen des Weltanschauungskrieges zu sehen
ist, war daher nicht ,verbrecherisch', sondern konsequent."
Aber selbst beim Antisemitismus der Nazis will Nolte zwischen
gerechtfertigten und ungerechtfertigten Maßnahmen unterscheiden:
Zunächst spekuliert er über die Motive der angeblichen Kriegserklärung des
Präsidenten des jüdischen Weltkongresses gegen Deutschland; dann folgert
Nolte, man werde "nicht von vornherein in Abrede stellen dürfen, daß die
Deportationen als solche in den Augen der deutschen Bevölkerung als
unvermeidbar gelten durften. Im Herbst 1941 lebte allein in Berlin noch die
erstaunlich hohe Zahl von über 70000 Juden, und wenn man sich vor Augen
hält, daß Stalin in seiner Rede vom 3. Juli 1941 bei seiner Aufzählung der
gefährlichen Elemente innerhalb der sowjetischen Bevölkerung auch die
,Gerüchtemacher' nicht ausließ, dann wird man die Berechtigung von
Vorsichtsmaßnahmen erst recht nicht bestreiten können." Die Deportationen
derer, die sich die Nazis mit ihren Rassengesetzen zu Feinden gemacht
hatten, lag also noch im nationalstaatlich vertretbaren Rahmen.
Das große Problem, das Ernst Nolte offensichtlich quält, ist die
Diskreditierung des deutschen Nationalsozialismus durch die Juden-
vernichtung. Immer wieder taucht die Frage auf, bis zu welchem Punkt die
Taten der Nazis verständlich oder sogar legitim waren. Es lassen sich noch
eine ganze Menge weitere rassistische Zitate Ernst Noltes finden, die aber
den Rahmen dieses Artikels sprengen würden.
Abschließend läßt sich sagen, daß Nolte, mit seiner unglaublich flexiblen
Geschichtsphilosophie gewappnet, sich auch nicht durch die Tatsache in
Verlegenheit bringen läßt, daß der Neofaschimus nach dem Zusammenbruch
seines ,Schreckbildes' Realsozialismus stärker statt schwächer wurde. Es
bieten sich zwei Erklärungsmöglichkeiten an:
Entweder leugnet Nolte den rechtsradikalen Charakter rassistischer Anschläge
("Man müßte genau wissen, was eigentlich in Rostock vorging. Wenn es stimmt,
was von aggressiver Bettelei, von Fäkalien in Vorgärten gesagt wurde, dann
ist die Reaktion darauf kein Phänomen von Ausländerfeindlichkeit"), oder er
erfindet neue Gefahren, vor denen sich die nationalbewußten Bürger
berechtigter Weise fürchten ("Je künstlicher es in mancher Hinsicht wird,
vielleicht auch nur je intellektueller es wird, um so mehr verhärtet es sich
bis zu dieser Idee, das deutsche Volk in seiner Substanz zu ändern, etwas
anderes in Form einer Supermarktzivilisation an die Stelle der deutschen
Nation zu setzen.")
Ernst Nolte gehört zu den geistigen Brandstiftern in diesem Land. Es ist
schwer, etwas gegen ihn zu unternehmen, er weiß genau, wieviel er sagen
kann, ohne Schwierigkeiten zu bekommen. Er gehört zu den Rassisten, vor
denen man sich fürchten muß, er macht Opfer zu Tätern in Vorlesungen an
Universitäten.